Biologische Kieferorthopädie

Schönheit durch Gesundheit

Die alten griechischen Skulpturen bringen die Idealisierung schöner gesunder Körper plastisch zum Ausdruck. Dazu gehört auch ein ebenmäßiges Gesicht mit optimalen Proportionen im Zahn- , Mund- und Kieferbereich. Auch heute erscheint jedem plausibel, dass gleichmäßige Zahnreihen nicht nur der Schönheit dienen, sondern auch für intakte Biss- und Kauverhältnisse stehen. Weniger geläufig dagegen ist, dass der Mund auch als Sprachorgan auf die Existenz und eine entsprechende Stellung der Zähne angewiesen ist. Beinahe völlig vergessen wird dabei, dass der Mund zunächst als Atmungsorgan ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Seine atemstützende Ausgleichsfunktion wird z.B. bei körperlicher oder psychischer Beanspruchung mit hohem Sauerstoffbedarf zwingend. Es gibt aber auch krankhafte Bedingungen, unter denen die normale Nasenatmung zur Mundatmung (im wahrsten Sinne des Wortes) abflacht. Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien sind an dieser Fehlleistung besonders beteiligt.

Die Atmung ist die mächtigste und empfindlichste Grundfunktion zugleich; ihre Störung wiederum gehört zu den verbreitetsten und dennoch am wenigsten beachteten Krankheitsfaktoren überhaupt. Gerade in den Aufbaustufen des Säuglings-, Kleinkind- und Jugendalters sind die natürlichen Vorgänge des Wachstums, der Entwicklung und Reifung mehr denn je auf eine gesunde Atemfunktion angewiesen. Diese ist wiederum von der Ernährung und Bewegung nicht zu trennen.

Leben = Atmung + Ernährung
Bewegung

Die Weichenstellung für ausgewogene Verhältnisse der Atmung, Ernährung und Bewegung geht vom Munde aus. An der Mutterbrust lässt sich unschwer verfolgen, dass Atmen, Saugen und Schlucken fein aufeinander abgestimmte und von einander abhängige Bewegungen sind. Die Störung einer dieser drei Grundfunktionen zieht unweigerlich die übrigen in Mitleidenschaft. Wiederkehrende Infektkrankheiten der Atem- und Verdauungswege können in den ersten Lebensjahren mit einer Reihe anderer Komplikationen die Prozesse des Wachsens und Gedeihens beeinträchtigen. Durch die Behinderung der oberen Luftpassage, der Nasenatmung, kommt es leicht zu einer dauerhaften Verlagerung nach unten: Die Mundatmung wird zur hronischen Gewohnheit. Sie ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Zur typisch offenen Mundhaltung gehören Begleitsymptome wie Schwächung bzw. Form- und Lageveränderungen der Lippen-  Zungen und Kaumuskulatur. Folglich können alle Mundfunktionen, d.h. Atmen, Saugen, Kauen, Schlucken, Sprechen und mimische Gebärden mehr oder weniger gestört werden. Die Entwicklung normaler Kieferformen und die harmonische Ausrichtung und Angleichung der beiden Zahnreihen gerät durch das verschobene Kräftespiel der umgebenden Muskel- und Weichgewebe ebenfalls in Unordnung.

Häufig ist das ungenügende Stillen der Beginn dieser Störungskette. Ein Mangel an Saugbewegungen kann die Mundmuskeln schwächen und den Vorschub des Unterkiefers und den Lippenkontakt behindern. Die Gefahr der Mundatmung ist auch hier naheliegend. Schließlich bedeutet weniger Stillen auch einen Mangel an Nahrungsqualität. Den verbreiteten Magen- und Darmerkrankungen kann damit der Boden bereitet werden, auch weil die ungeübte Mundmuskulatur meistens zu wenig Kauaktivität leistet. Das dem Darm angeschlossene Immunsystem kann folglich auch geschwächt werden. Ohne Abwehr nehmen die Infekte wieder zu und der Kreis schließt sich.

Der gemeinsame Nenner dieser Wechselbeziehung von Atmung und Ernährung ist die Bewegung. Die Folgerung lautet:

Nicht das Bewegen von Zähnen, sondern die Stimulation und Steuerung der Mundbewegungen sollte die Hauptaufgabe des Kieferorthopäde sein!

Gesund beginnt im Mund

Die Korrektur von Zahn- und Kieferfehlstellungen ist nur erfolgreich und dauerhaft, wenn gleichzeitig die fehlerhaften Mundbewegungen in geordnete Abläufe geführt werden. Andernfalls können die Wachstums- und Bildekräfte bei der Gebissentwicklung fehlgeleitet werden. Der Kieferorthopäde ist aber so selten wie der Kinder-, HNO-, Zahn-, Hausarzt oder Orthopäde in der Lage, die gestörten Mundfunktionen mit anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Zusammenhang zu sehen. Dazu zählen mehr oder weniger häufige und kombinierte Begleiterscheinungen wie: Mundatmung, verminderte Infektabwehr, Leistungsabfall, Lernprobleme, Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, schlaffe Mund- und Körperhaltung, herabgesetzte Abbeiß-, Kau- und Schluckfunktionen und folglich Störungen der Eßgewohnheiten, der Verdauung, der Sprache und des Verhaltens. Eine angemessene und effektive Behandlung kommt den Kindern kaum zugute, weil es an fachübergreifender Kenntnis und Zusammenarbeit mangelt. Das soll nicht heißen, dass geordnete Mundfunktionen allein schon alle übrigen Gesundheitsprobleme lösen. Umgekehrt aber lässt sich sagen:

Fehlt etwas im Mund, ist (isst) der Mensch nicht ganz gesund. Der Mund ist (isst) andererseits aber auch nicht alles, was die Gesundheit braucht.

MUND – Raum des Lebens und Erlebens

Ernährung ist ein Urerlebnis, das nicht nur Mund- und Bauchraum füllt, sondern auch Bedürfnisse des Gemüts erfüllt. Die Mundhöhle braucht also mehr Inhalt als bloß Nahrung zum (Über-) Leben. Nach der Geburt erlebt der Mensch erstmalig seine Mundbewegung als doppelte Sinnesbefriedigung: Seine instinktive Suche nach Mundkontakt zur Mutterbrust dient einerseits der körperlichen Versorgung mit Nahrung und andererseits der emotionalen Umsorgung durch die Bezugsperson. (Magersucht und Bulimie sind beispielhaft für ein gestörtes Essverhalten, das häufig im Zusammenhang mit einer unbefriedigten Beziehung zur Mutter und zu sich selbst steht.) Empfindungen wie süß und salzig, bitter und sauer, weich und hart sind orale Urerlebnisse. Durch die Reifung erlangen sie eine ambivalente, d.h. körperliche und emotionale (Emotion = Gefühls – Bewegung) Sinnesbedeutung.

Im Grenzbereich zwischen Innen und Außen, von Selbst und Nichtselbst, beißt sich der Mensch auf seine ganz individuelle Weise durchs Leben. Drückt er doch seine Gefühle gern mündlich aus, wenn ihm so manches nicht schmeckt oder er die Bitterkeit seines Lebens erfahren muss. Während der eine mit Verbissenheit an seinem Ziel festhält, gibt sich der andere zähneknirschend geschlagen. Besonders in der Haltung und Gebärde des Unterkiefers, dem aktiv beweglichen Gebissanteil, spiegelt sich die Persönlichkeit im Hinblick auf ihre Kräftebilanz von Wollen und Können. In der Abbeißstellung äußert sich die Bereitschaft zur Auseinandersetzung, zum Ergreifen, während die betonte Rückbissstellung die Zurückhaltung, das verhaltene und defensive Verhaltensmuster, signalisiert.

Kieferorthopädisch – pädagogische Aufgaben

Durch die ganzheitlich ausgerichtete Kieferorthopädie (GKFO) soll der ganze Mensch mit seiner Entwicklung, Aufrichtung und Reifung vom Munde her gefördert werden.

Hier liegt die Chance, das Kind, den Jugendlichen zur Mündigkeit mitzuerziehen! ANDRY wollte die nach ihm benannte „Orthopädie“ als „Erziehung zum geraden Wachsen“ verstanden wissen. BALTERS verwirklichte diesen Grundsatz mit seiner BIONATOR-METHODE. Dabei gilt es, zwei pädagogische und orthopädische Regeln gleichermaßen zu beachten:

  1. Räumliche Bedingungen zu schaffen, die eine optimale Entwicklung zulassen und
  2. Anreize zu bieten, die Antriebskräfte freisetzen.

Die Bereitstellung angemessener Raumverhältnisse ist die äußere Bedingung für Entwicklung und Reifung, die Aktivierung vorhandener Antriebskräfte ihre innere Voraussetzung.

Die Kunst des orthopädischen Erziehens fordert aber auch:

  1. Die Führung und Orientierung als Schutz und Begrenzung.
  2. Das Halten und Stützen als Ausgleich von Fehlleistungen.

Wann und wo durch Motivation, Führung und Unterstützung Grenzen gesetzt oder umgekehrt, im Zulassen Räume und Freiheiten ermöglicht werden, entscheidet darüber, wie maßvoll und einfühlsam der Pädagoge bzw. Orthopäde vorgeht.

Prinzip des BIONATORS

Auch der BIONATOR, ein lose im Munde zu tragendes Gerät, wird nach diesem Prinzip angewandt. Er bewegt keinen Zahn, aber verändert alle Mundbewegungen. Da die meisten Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien mit beengten Raumverhältnissen der Mundhöhle einhergehen, muss zunächst Raum geschaffen werden. Schon beim Einsetzen des Gerätes wird z. B. ein tiefer Überbiss ausgeglichen, indem der zurückliegende Unterkiefer eine vorverlagerte (Abbeiß-) Stellung einnimmt. Neben dieser Rückbisskorrektur wird gleichzeitig die tiefe Bisslage kompensiert: Die Schneidezahnkanten des Unterkiefers nähern sich den oberen Schneidezähnen nicht nur, indem sie von hinten nach vorne bewegt werden. Die Gaumenschleimhaut wird vor ihrem Einbiss zusätzlich geschützt, weil sie ihre alte Stellung auch von oben nach unten verlassen. Ober- und Unterkiefer verhalten sich wie zwei gegeneinander verschobene Raumhälften. Das Gerät führt sie mit der Schließbewegung des Unterkiefers in die gesunde Lagebeziehung. Diese Neuorientierung vermittelt ein Gefühl für das anzustrebende Ziel. So wird auch der seitliche Zahnkontakt durch die Begrenzung mit dem Gerät aufgehoben. Der gewonnene Raum zwischen den Kauflächen wird zum einen für die Abstützung des Bisses am Kunststoff gehalten und zum anderen für das Wachstum und die Entwicklung von Kiefer und Zähnen freigegeben.

Mit dem Stützen beginnt das eigentlich Orthopädische, der haltende Ausgleich einer Fehlleistung. Die Schluckfehlfunktion ist z.B. hauptsächlich durch ein gestörtes Bewegungsmuster der Zunge im Hinblick auf ihre Saugkraft gekennzeichnet. Die Sogwirkung wird oft auch durch die Schwäche der vorderen und hinteren Schließmuskeln, d.h. der Lippen und des weichen Gaumens (einschließlich Zungenrücken) vermindert. Diese Fehlleistung ist wiederum von der beschriebenen Fehlform der Kiefer und Zahnbögen mit ihren Einengungen nicht zu trennen: Durch den tiefen Biss und die Rücklage des Unterkiefers steht nur noch ein geschmälerter Schluck- bzw. Sograum zur Verfügung.

Es besteht:

  1. Ein Mangel an freiem (Bewegungs-)
  2. Ein Mangel an freier (Raum-) Bewegung.

Die anderen Mundfunktionen wie der Lippenkontakt für die Nasenatmung, das Abbeißen, Kauen und Sprechen unterliegen den gleichen Störfaktoren reduzierter Raum-Bewegungen. Da sie gleichzeitig über dieselben Nervenbahnen versorgt und von denselben Muskelzügen angetrieben werden, treten sie als mehr oder weniger kombinierte und gestörte Begleiterscheinungen auf. Das Balters’sche Heilprinzip besteht nun darin, die verfallenen „Mund-Raum-Funktionen wieder aufzurichten“.

Bewegliche „Zahnklammer“

Das Ausheilen der Bissanomalie wäre aber ohne Anreize zum Kraftantrieb nicht gewährleistet: Die Form und Konstruktion des Gerätes, besonders die Drahtelemente, werden durch die hohe Sensibilität von Schleimhaut und Zähnen als Reize wahrgenommen. Dadurch vermittelt die nicht festmontierte ‚Zahnklammer‘ eine kombinierte Bewegungs- und Berührungs-Stimulation. Das Mundorgan kann nun dank der günstigen Raum-Form-Reiz-Bedingungen naturgemäß reagieren. So regt der Zungenbügel zum Kontakt zwischen Zunge und Gaumen, der Lippenbügel zum Lippenkontakt bzw. Mundschluss an. Das regelmäßige Tragen (besonders am Tage, Mahlzeiten ausgeschlossen, und nicht nur nachts) wird zur Übung. Der Patient lernt, u.a. richtig zu schlucken, richtig zu atmen, besser zu kauen und zu sprechen. Die entstehende Sog-Kraft-Steigerung wirkt sich auch günstig auf die Durchströmung der zahlreichen in Zellnähe befindlichen Blut- und Lymphgefäße aus. Schließlich sind die Umbauprozesse der Knochen- und Weichgewebe unmittelbar auf die versorgenden und entsorgenden Fließeigenschaften der Körpersäfte (einschl. Speichel) angewiesen. Einer normalisierten Funktion entspricht dann wieder eine normalisierte Form. Die Bionator-Methode orientiert sich an einer bewährten therapeutischen Weisheit: Nicht alles machen was machbar ist, sondern möglichst viel möglich machen, was nicht machbar ist! Denn das Kauen, Wachsen und Sichaufrichten und sei es noch so dürftig, lässt sich fördern, aber nicht in Auftrag geben.

Nicht nur schöne Zähne

Arbeiten von ASCHER, BAHNEMANN (Gnatho – Vertebral – Syndrom), BALTERS, FLEISCHER-PETERS, HERRMANN, KÖSTER, PÜLLMANN, SCHEFFLER, SCHUBERT, VON TREUENFFLS u.a. beschreiben die vielfältigen Symptome, die bei einer GKFO, oftmals unbeabsichtigt, gelindert oder gar beseitigt werden. Dazu gehören: Verdauungsstörungen, Atemwegserkrankungen (z.B. Bronchitiden, Asthma, chronische Entzündungen des Hals-, Nasen- und Rachenraumes, des Mittelohrs und andere Infekte) Erkrankungen des Haltungs- und gungsapparates (Muskeln, Knochen, Gelenke)sowie Störungen im geistig-emotionalen und Nervenbereich (Kopfschmerzen, Lernprobleme, u.a. durch Mangel an Konzentration, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Ausdauer, psychovegetative Störungen, Gemütsschwankungen, Nervosität, Aggressivität, Unsicherheit, Ängstlichkeit, mangelndes Selbstbewusstsein) u.v.a.m.

Behandlung Erwachsener

Viele im Jugend- und Erwachsenenalter auftretende schmerz- und geräuschhafte Erkrankungen der Kiefergelenke sind mit den Entwicklungs- und Bewegungsstörungen bei Zahn- und Kieferfehlstellungen eng verwandt. Auch sie gehen oft mit eingeschränkten Mund – Raum – Funktionen einher. Ihre Aufrichtung ermöglicht sowohl die Ausheilung der Fehlstellungen und -haltungen !m Gebissbereich als auch der Symptome in der Kiefergelenksregion. Die GKFO verhindert und therapiert nicht nur Gebisskrankheiten in der Wachstumsperiode, sondern auch im Erwachsenenalter.

Erben und erwerben

Der weit größte Teil der Zahn- und Kieferfehlstellungen wird erworben und nicht ererbt. Im allgemeinen „weiß“ also z. B. jeder Zahn nicht nur wo, sondern auch wie, d.h. in welcher Stellung er im Kiefer seine Funktion übernehmen muss. Aus den embryologischen Forschungen von BLECHSCHMIDT ist bekannt, dass das Erbgut sich zu Wachstum, Reifung und Entwicklung so verhält, wie die Schrift eines universellen Theaterstückes zum aktuellen Bühnenspiel. Das Werden im Leben muss, den jeweiligen Umständen entsprechend, ständig neu inszeniert werden. Fehlerhafte Zahnstellungen sind also meistens nicht die Folge einer falschen „Erbschrift“, sondern sichtbare Zeichen einer unangemessenen „Inszenierung auf der Entwicklungsbühne“. Zum Hintergrund dieser Fehlentwicklung gehört eine Summe verschiedener (und zum Teil genannter) Störfaktoren, denen der Mensch das ganze Leben hindurch, vorn Embryo bis zum Alter, ausgesetzt sein kann. Eine traumatische Geburt kann z. B. die Kiefer-Gesichts-Region dauerhaft deformieren (BAHNEMANN).

Begleitende Heilmaßnahmen und parallele Therapien

Da es aus der Sicht der GKFO keine sogenannte Zahngesundheit, sondern nur die eine Gesundheit gibt, können viele Heilmaßnahmen hilfreich sein. Dazu gehören besonders:

  1. Die Ordnung der Lebens- und Alltagsgewohnheiten (s. Infoblatt ‚Zur Vorbeugung der Gebisskrankheiten‘ der GZM).
  2. Begleitende Heilmaßnahmen im Rahmen der GKFO.
  3. Parallele Therapien und Anwendungen anderer Fachdisziplinen.

Für (1.) die Lebensgewohnheiten ist schließlich das ganze Umfeld , von der näheren familiären Situation bis in das soziale Milieu, besonders der Schule, verantwortlich. Dieser Faktor ist von großer gesundheitlicher Bedeutung!

Zu (2.) den begleitenden Heilmaßnahmen gehören:

a.Funktionell wirkende kieferorthopädische Apparaturen, die dem Bionator verwandt sind. In verschiedenen Fällen,besonders bei progenen Anomalien, erweist sich der Funktionsregler nach FRÄNKEL als wertvolle Ergänzung bzw. Alternative. Auch andere ähnlich wirkende Apparaturen wie der Gebissformer nach BIMLER, der Kinetor nach STOCKFISCH, der Aktivator nach KLAMMT oder andere Abkömmlinge des Aktivators lassen sich in dieses Konzept integrieren.

b. Mechanisch aktive Mittel für die Zahnbewegung und den Knochenumbau. Dazu zählen die gebräuchlichen herausnehmbaren Geräte (aktive Platten, CROZAT) und festsitzenden Behelfe (Multiband bzw. Multibracket). Besonders geeignet ist die CROZAT-Apparatur. Ihre äußerst grazile und raumsparende Konstruktion lässt sich leicht tragen. Sprache und Ästhetik werden kaum beeinträchtigt. Ihre Elastizität und punktförmige Zahnberührung ermöglicht in Kombination mit dem Bionator Kieferentwicklungen und Lückenöffnungen, die sich mit anderen Methoden kaum erreichen lassen. Die üblichen serienmäßigen Extraktionen gesunder Zähne können dadurch größtenteils vermieden werden. Die mechanischen Hilfsmittel haben ihren Vorzug bei besonders schwierigen und körperlichen Zahnbewegungen, die auf funktionellem Wege nicht zugänglich sind.

Zu (3.) den parallelen Therapien gehört vor allem die Förderung der oralen Grundfunktionen: Atmung, Bewegung und Stoffwechsel. Alles, was dem Bewegungs-, Halte- und Stützapparat dient, schließt auch den formativen Reiz zur Ausbildung gesunder Gebissverhältnisse ein. Atmung und Bewegung können speziell physiotherapeutisch (durch gymnastische Methoden wie z.B. BOBATH, CASTILLO MORAL.ES, GARLINER, LEHNERT-SCHROTH, PADOVAN, VOJTA,Psychomotorik, Senso-Motorische Integration, Ergotherapie, Motopädie, u.a.) geschult werden. Die ‚Neurofunktionelle Reorganisation‘ nach PADOVAN‘ eignet sich besonders, da sie mund- und körpermotorische Übungen im Ablauf der Reife und Sprachentwicklung, d.h. aufbauend integriert. Die ebenfalls hilfreiche Sprachtherapie und Logopädie erhält somit einen erweiterten Therapieansatz.

Stoffwechsel und Bewegung lassen sich gleichermaßen durch die ‚Lymphdrainage‘ nach VODDER (eine sanfte, massageähnliche manuelle Therapie der Lymphbahnen) fördern. Darüber hinaus können lymphaktivierende Präparate, homöopathische Medikamente, Phytotherapeutika und andere pharmakologische Mittel eingesetzt werden. Auch die klassische und die Mundakupunktur nach GLEDITSCH sowie bioelektronische Verfahren (z.B. EAV) haben sich als wirksame Begleittherapien erwiesen.
Ein intakter Stoffwechsel ist ebenso auf eine adäquate Esskultur (Nahrungsqualität plus Essverhalten) besonders angewiesen.

Der ‚kleine‘ Unterschied

Die GKFO verfügt über Kenntnisse, die z.T. über die akademische Ausbildung hinausgehen. Sie unterliegt aber leicht dem verführerischen Naturmode-Trend und verfehlt ihr Ziel, wenn dem Behandler der nötige Ernst und die Kompetenz und dem Patienten die nötige Einsicht und Kooperation fehlen. Ihr Standpunkt heißt: Es wird zu viel mechanisch, d.h. (besonders mit festsitzenden Apparaturen) fremd ‚reguliert‘, wo mit stimulatorischen Mitteln die natürlichen Kräfte der Eigenregulation für bessere Ergebnisse genutzt werden können. Daraus ergeben sich folgende Unterschiede:

  • Weitgehender Verzicht auf Extraktionen gesunder Zähne
  • Kaum schädigende Nebenwirkungen wie bei mechanischen Geräten (besonders bei Brackets mit festen Drahtbögen) auf den Zahnschmelz (Karies und andere Defekte), den Wurzelbereich (Lockerung), die Kiefer- und angrenzenden Schädelknochen und Gelenke.
  • Mehr Wohlbefinden (kaum noch Spannungen, Schmerzen, Schleimhautreizungen, Verletzungen sowie Komplikationen bei Mahlzeiten und Pflege).
  • Weniger Risiken bei Sport und Freizeit, kaum Abhängigkeit von häufigen Kontrollterminen.
  • Niedrige Rückfallquote (aufgrund der angeregten Selbstregulation).
  • Geringer Kosten- und Laboraufwand

FAZIT:

Das Ziel der ganzheitlich ausgerichteten KFO ist, die Entwicklungs-, Aufrichtungs- und Reifungsprozesse vom Munde und Gebiss aus für den ganzen Menschen zu nutzen und zu fördern. Der Patient soll nicht nur gut aussehen und kauen, sondern auch optimal atmen und sprechen können. Aufrichtung und Haltung können durch gesunde Bissverhältnisse unterstützt werden und dem Bewusstsein mehr Halt, Sicherheit und Selbstvertrauen vermitteln. Ein schönes funktionsfähiges Gebiss lässt sich nicht machen, sondern muss durch Eigenleistung erworben werden. Arzt und Patient sind durch die geteilte Verantwortung aufeinander angewiesen. Je besser die Motivation durch den Therapeuten, desto stärker der Wille des Patienten zur Mitarbeit und desto größer der Erfolg.

LITERATUR

  1. BAHNEMANN,F.: Der Bionator in der Kieferorthopädie Karl F. Haug Verlag, Heidelberg 1993
  2. BALTERS, W.:
    Ausgewählte Schritten und Vorträge –
    Hrsg. Chr. Herrmann – Druckerei Hölzer
    Inh. D. Treu , Heidelberg 1973
  3. TREUENFELS, H. von:
    Ziel und Möglichkeiten einer biologisch ganzheitlich ausgerichteten Kieferorthopädie,
    Hrsg. Schriftenreihe der ZÄ-Kammer Westf.-Lippe, Bad Salzuflen 1992, Seite 99 -115

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